15.12.18

UltraQuest Weihnachtsmarkt

So ganz neu ist die Info nicht, aber ich habe vor ein paar Tagen den Weihnachtsmarkt für "UltraQuest" von Flying Games geschickt bekommen (Danke dafür).

"UltraQuest" ist der coolste Kompromiss zwischen Rollen- und Brettspiel, den ich kenne. Ein tolles Spiel.

Wenn eine Gruppe zwischen dem 1. Advent und dem 6. Januar Traumburg gesucht, kann sie den Weihnachtsmarkt besuchen. Eben diesen kann man zurzeit bei FlyingGames.de für 1,95 € kaufen. Es ist ein Faltblatt (insgesamt 6 Seiten) und ein paar Karten und Marker zum Ausschneiden.

Der Weihnachtsmarkt liegt Bestellungen bis zum 6. Januar kostenlos bei, kann aber auch einzeln bestellt werden - aber nur bis dahin, dann verschwindet er wieder. Vermutlich bis nächstes Jahr.

07.10.18

[Rezension] Wearing the Cape - Das Rollenspiel


"Wearing the Cape" ist eine Jugendromanreihe um Superhelden in einer Welt, die nachhaltig durch das Auftauchen von Superkräften verändert wurde. Der Autor Marion G. Harmon hat ein Rollenspiel auf Fate-Basis dafür entworfen. Kann ein Romanautor, der das letzte Mal in seiner Jugend ein Rollenspiel gespielt hat, ein solches entwerfen? Ja, das kann er.

Er hat es natürlich nicht allein getan. Im Vorwort erklärt der Harmon, dass er sich nicht als Spieledesigner sieht und ohne Hilfe vermutlich gescheitert wäre. Mich persönlich würde interessieren, wie viel des Designs von ihm ist und wie viel ihm vorgegeben wurde. Am Ende spielt das keine Rolle, Hauptsache, das Spiel taugt etwas.

Für mich gab es zwei Gründe, um ein Rezi-Exemplar des Spiels zu bitten. Ich war neugierig darauf, wie Fate das Superhelden-Genre umsetzt, und ob die in verschiedenen Romanrezensionen so gelobte Welt, das erfüllt, was sie verspricht.

Das Buch beginnt mit der Weltbeschreibung. Am Anfang war das "Ereignis". Die Welt hatte einen 3,2 Sekunden andauernden Blackout. Die Menschen haben eine Gedächtnislücke für diesen Zeitraum. Sie waren praktisch weg. Außerdem war der Strom für diese Zeit ebenfalls weg. Die Auswirkungen waren katastrophal. Flugzeuge fielen vom Himmel, Autos wurden zu mehrere Tonnen schweren Geschossen. Feuer brachen aus, Menschen stürzten, verwundeten sich und starben. In diesem Chaos entdeckten einige Menschen, dass sie plötzlich Kräfte besaßen, die zuvor unvorstellbar gewesen wären. Sie flogen, hoben Panzer mit einer Hand, bewegten sich mit ungeahnter Geschwindigkeit. Diese Menschen taten viel Gutes in der Zeit der Not, retteten Mitmenschen und löschten Brände. Natürlich gab es auch Menschen, die ihre neuen Kräfte für egoistische Zwecke einsetzten. Sie waren die ersten Superschurken.

Diese Welt der erwachten Superhelden wird konsequent, nachvollziehbar und spannend weiterentwickelt. Harmon trifft hier immer wieder ins Schwarze und eröffnet neue Blickwinkel auf altgekannte Geschichten. Die Nationen reagieren unterschiedlich auf die neue Situation. Alle Staaten, die Superhelden internieren oder kontrollieren wollen, bekommen ernsthafte Probleme, als diese sich wehren. Kriege brechen aus. Die USA fügt die "Erwachten" in die Gesellschaft ein. Es werden Teams gebildet, die als Eingreiftruppen eingesetzt werden. Die Freiheiten der Erwachten werden wenig beschränkt. In zwei interessant zu lesenden In-Game-Texten (man merkt besonders bei solchen Gelegenheiten, dass Harmon Romanautor ist) und gut aufbereiteten Erklärungen wird die Welt beschrieben. Spannend fand ich zum Beispiel einen Abschnitt, der auf Außerrealitätswelten eingeht und ein klein wenig Quantentheorie mit neuen Ideen kombiniert, um zu erklären, wie Superhelden nach Oz oder andere fiktive Welten reisen können. Mode, Marketing, Gruppierungen, Religion und Professionalität … alle diese Punkte werden knapp behandelt und zeichnen in ihrer Gesamtheit eine Welt, die sich realistisch anfühlt. Neben der Weltbeschreibung widmet sich ein eigenes Kapitel den Sentinels, einer Superheldengruppe, die in Chicago lebt.

Da wir uns in einem Fate-Buch befinden, macht die Weltbeschreibung nur einen kleinen Teil der Seitenzahl aus. Schnell geht es los mit Regelerklärungen und Kampagnengestaltung. "Wearing the Cape" ist ein komplettes Rollenspiel. Die "Fate Core"-Regeln werden nicht benötigt.

Die Regeln sind gut und übersichtlich erklärt. Harmon weist im Vorwort darauf hin, dass man viele der Regeln erst am Spieltisch und nach ein paar Sitzungen Übung verstehen wird. Vorher muss man viel ausprobieren und immer wieder nachlesen und korrigieren. So ist "Fate". Ich möchte nicht auf die Grundlagen des Spiels eingehen. Es gibt genug Rezensionen des Grundregelwerks, um sich an anderen Stellen ein Bild davon zu machen. Es muss aber klar sein, dass es ein recht abstraktes System ist. Der Lernprozess funktioniert so: Erst muss man sein "normales" Spiel vergessen und sich in die recht abstrakte Darstellung von "Fate" einarbeiten. Plötzlich springt man nicht mehr einfach durch ein Feuer, sondern muss den Aspekt "Feuer im Durchgang" überwinden. Anstatt Lebenspunkte zu verlieren, bekommt man Aspekte, die Verletzungen beschreiben. Erst wenn man diese Abstraktion verinnerlicht hat, kann man sich davon lösen, um sich wieder auf die beschreibenden Inhalte zu konzentrieren. Das Regelwerk verspricht, dass man nie wieder ohne Aspekte (die Grundlage der Fate-Denkweise) spielen möchte, wenn man sie erst einmal verinnerlicht hat. Auch wenn ich selbst an diesem Punkt noch nicht angekommen bin, kann ich mir das gut vorstellen. Ich möchte jeden, der an so etwas Spaß haben könnte, ermutigen, es auszuprobieren und nicht beim ersten Scheitern aufzugeben. "Fate" bietet durch die Aspekte und Abstraktionen eine Fülle an Möglichkeiten, die andere Rollenspiele nicht bieten können.

Die Regelumsetzung des Superheldenthemas ist gut gelungen. Die Regeln sind dabei durchaus komplex. Ich bilde mir ein, klassische Ansätze zu erkennen, die daher rühren könnten, dass Harmon moderne Rollenspielentwicklungen verpasst hat. Neben den üblichen Fertigkeiten gibt es Attribute wie Stärke und Willenkraft. Zusätzlich gibt es Ressourcen wie Reputation und Vermögen, die ebenfalls genau wie Fertigkeiten gehandhabt werden. Man mag die Einführung von Attributen als Rückschritt sehen, genau genommen passt sie aber sehr gut. Wie will man sonst einen superstarken Helden darstellen? Durch die Einteilung der Erwachten in Typen oder Klassen, hat man sogar so etwas Ähnliches wie Charakterklassen. Ich vermute, dass die Typen direkt aus den Romanen stammen, aber egal, woher sie kommen, sie geben den Spielern eine übersichtliche Auswahlliste für ihre eigenen Helden. Die Kräfte werden abhängig von der Stärke in A-Klasse bis D-Klasse unterteilt. Auch das ist gut für den Spieltisch.

Ungefähr ein Drittel des Buches wendet sich direkt an den Spielleiter. Erklärungen, wie die Regeln am besten am Spieltisch umgesetzt werden, sind nur ein kleiner Teil davon. Es geht auch um Szenen-, Abenteuer- und Kampagnengestaltung, wie man beschreibt und was es sonst noch zu beachten gibt. Ein langer Anhang mit Formularen, Listen, Tabellen und Zusammenfassungen bilden den Abschluss des Buchs.

Der Band ist ein stabiles Hardcover in DIN A4 - typisch gute Uhrwerk-Qualität. Die Bebilderung ist im gleichen Stil wie die Romancover. Es sind alles Bilder, die einem Comic entsprungen sein könnten. Wem das Cover des Bandes gefällt, dem gefällt auch der Rest. Nur die etwas zu häufige Wiederverwendung einzelner Figuren stört. Das Bild von Rush, dem Speedster-Typ, wird so häufig verwendet, dass es schon nervt. Die Entscheidung, das Buch größtenteils einspaltig zu gestalten, verstehe ich auch nicht. Es macht die kleinen Textzeilen zu lang, um sie entspannt zu lesen. Abgesehen davon ist das Layout aber gelungen. Es ist hübsch und übersichtlich und durch eine Farbcodierung findet man jedes Kapitel, ohne lange suchen zu müssen.

Fazit: "Wearing the Cape - Das Rollenspiel" bietet Fate-Superhelden in einer realistisch anmutenden, hochinteressanten Welt mit einem verhältnismäßig komplexen, funktionstüchtigen Regelwerk. Das Buch ist hübsch und gut zu lesen. Außerdem gibt es nur sehr wenig Rollenspielmaterial mit Superheldenthema auf Deutsch. Das sind genug Gründe, um es sich einmal anzuschauen.

Wearing the Cape - Das Rollenspiel
Grundregelwerk
Marion G. Harmon
Uhrwerk Verlag 2018
ISBN: 978-3-95867-138-6
270 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

10.09.18

[Rezension] Tianxia – Jade, Seide und Blut


Wuxia und Kung-Fu-Filme bilden ein wenig beackertes Thema in der deutschen Rollenspiellandschaft. "Tianxia" will diese Lücke schließen. Es ist ein Regelwerk und Quellenbuch für "Fate" und liefert Regeln, Tipps, Genre-Betrachtungen und eine kleine Welt in einem hübschen farbigen B5-Hardcover-Buch.

Ein Grund für die relativ geringe Verbreitung des Genres im Rollenspiel dürfte die Tatsache sein, dass epische Kämpfe zwischen fliegenden Kampfspezialisten recht schwer umzusetzen sind. "Fate" bietet sich durch seinen erzählerischen Stil dazu an. Ich hatte bisher wenig Ahnung von dem Genre. Natürlich habe ich den einen oder anderen Film gesehen, aber so richtig hat sich mir das Genre bisher nicht erschlossen. Ich war neugierig, ob es dem Buch gelingen würde, es mir näher zu bringen.

Rein optisch ist schon einmal auf dem richtigen Weg. Das Cover mit den beiden Kämpfern, die sich umkreisen und so die Andeutung eines Yin-Yang-Symbols bilden, gefällt mir gut. Die Zeichnungen sind in einem, wie ich finde, hübschen Comic-Stil, der sich bereits auf dem Cover andeutet. Das Layout ist in einem von warmen Beige- und Rot-Tönen beherrschten Farbschema gehalten, das ich sehr mag. Alles ist übersichtlich, gut zu lesen und wohlgefällig für das Auge.

Kapitel 1, "Willkommen bei Tianxia", liefert die Grundlagen für den Rest des Buchs. In gut gewählten Worten beschreibt es, worum es geht. Die wenigen Seiten haben mir eröffnet, warum es Spaß machen könnte, das Spiel zu spielen und mich auch gleich auf die Stimmung und Themen vorbereitet. Der Leser erfährt, auf welche Weise sich "Tianxia" dem Genre annimmt und was es dem Rollenspieler bietet. Das kurze ebenfalls beigefügte Begriffsglossar hilft beim Verständnis vielleicht mehr als aller erklärender Text (den es natürlich auch gibt).

Die Welt von "Tianxia" ist eine an das alte China angelehnte Fantasywelt. China ist zu alt und hat zu viele Zeitalter durchlebt, als dass es Sinn ergeben würde, sich damit en détail in einem Rollenspiel auseinanderzusetzen. Stattdessen wird eine Fantasy-Variante des alten China grob umrissen und eine einzelne Provinz als Beispiel für weitere Gegenden herausgesucht und genauer beschrieben. Der Fokus liegt dabei immer wieder auf den wichtigen Personen, zu denen sogar Werte geliefert werden. In Wuxia geht es um Dramen und die Personen, die sie erleben. Die Gegend ist im wahrsten Sinn des Wortes nur Kulisse für die Wünsche, Bedürfnisse und Probleme der Menschen. Die detaillierte Beschreibung von Personen ergibt also nicht nur Sinn, sie hilft auch erheblich im Spiel.

Doch "Fate" wäre nicht "Fate", wenn es nicht auch neue Regeln geben würde. Kung-Fu ist, wie erwähnt, nur schwer im Rollenspiel darzustellen, und diese Regeln sollen dabei weiterhelfen. Neben ein paar Seiten über die Charaktererschaffung, die eher erklärende Texte als handfeste Regeln enthalten, gibt es ein langes Kapitel über Kung-Fu. Es besteht hauptsächlich aus der Beschreibung von vielen verschiedenen Stilen und Unterstilen. Dazu gehört auch je ein definierter Regeleffekt. Ich persönlich mag es, ein wenig bei der Hand genommen zu werden, und genau das wollen die Regeln erreichen. Am interessantesten fand ich allerdings die sechs Beispielcharaktere und das lange Spielbeispiel. Besonderes letzteres hat mir die Augen für Bereiche der Spielweise von "Fate" geöffnet, die mir bisher verborgen geblieben waren. So sehr ich das System in der Theorie mag, in der Praxis hat es bei mir noch nicht richtig gezündet. Dieses Beispiel könnte das ändern. Nur die Kung-Fu-Stile kommen darin nicht so richtig zur Geltung.

Gleich vier Kapitel richten sich an die Spielleitung. Neben allgemeinen Tipps, wie man Dinge darstellt und welche Themen man am besten aufgreift, werden Antagonisten beschrieben, es gibt Abenteuerideen und Quellen für Inspirationen (hauptsächlich Filme). Da ich solche Tipp- und Ideensammlungen immer gern lese, haben mir die Kapitel gut gefallen. Sie erweitern das Wissen des Lesers über das Genre und die beschriebene Welt und helfen ihm schnell in die Kampagne einzusteigen. Besonders hervorheben möchte ich die Beobachtung über Erzähltriaden (ein erzählerisch interessanter Konflikt hat drei Parteien) und die Abenteuer-Speisekarte, auf der man nur in fünf Spalten jeweils einen Punkt ankreuzen muss, um ein Abenteuer zu erhalten. Das ist eine nette Umsetzung der Idee des "Abenteuergenerators".

Das letzte Kapitel erklärt, wie man die Regeln auf das Niveau von Turbo-Fate vereinfachen kann. Die Kung-Fu-Regeln werden nicht vereinfacht, was ich für richtig und sinnvoll halte. Die sechs Beispielcharaktere werden nach Turbo-Fate-Regeln ein weiteres Mal mit Werten versehen.

Fazit: "Tianxia" fängt das Wuxia- und Kung-Fu-Genre gut ein. Layout und Bebilderung sind vorbildlich, die Übersetzung ist gut und das Buch weckt in mir die Lust loszuspielen. Dabei macht es auch noch Spaß, es zu lesen. Mit anderen Worten: Das Buch tut alles, was ein Fate-Buch soll.

Tianxia – Jade, Seide und Blut
Grundregelwerk
Jack Norris
Uhrwerk Verlag 2018
ISBN: 978-3-95867-112-6
256 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

06.09.18

Der Schatten des Dämonenfürsten immer noch in Vorbestellung


Es ist nicht die neueste Nachricht, da wir aber immer noch großen Spaß haben, das Spiel zu testen und ich vor ein paar Tagen selbst vorbestellt habe (das Komplettpaket mit Abenteuern), will ich hiermit noch einmal an die Vorbestellaktion von Der Schatten des Dämonenfürsten erinnern, die noch zwei Wochen oder so läuft. Das Spiel ist bereits finanziert.

Wer dunkle Fantasy mit Warhammer-Einschlag kombiniert mit zugänglichen Regeln, die auf einfachen Einstieg ausgelegt sind, mag, kann damit nicht viel falsch machen. Meine persönlichen Highlights der Kampagne sind:

  • Einstieg mit wenigen Seiten Regeln und einer Charaktererschaffung auf Stufe 0, die mit ein oder zwei Entscheidungen und einer handvoll Tabellen auskommt. 
  • Später werden Optionen "freigeschaltet", die dem System und den Charakteren genug Tiefe für Kampagnen geben. Klassische "Rules Light"-Systeme haben hier häufig Defizite. Diese Optionen sind es, die das Buch so dick machen, nicht die Einstiegshürde.
  • Abenteuerbände werden gleich mitfinanziert! Zwei Abenteuerbände mit mehreren Abenteuern plus eine Kampagne, die die Spieler von Stufe 0 bis 10 bringt. Letztere spielen wir gerade mit großem Spaß.
  • Optisch ist das Buch der Hammer (das Cover verrät ziemlich gut, was man erwarten kann).
  • Warhammer! (nur dunkler)
System Matters macht wie üblich Podcasts, die sich mit dem Buch detailliert auseinandersetzen. Ich habe bisher bei einem davon mitgeholfen, ein oder zwei dürften noch folgen.

Ich bin nicht neutral. Auch wenn meine Begeisterung echt ist - ich habe mich lange nicht mehr so auf ein Buch gefreut - seht diesen Post bitte als das, was er ist: Werbung :-)

03.08.18

[Abenteuer: Bücher!] Exzession


Ich habe ein weiteres Buch daraufhin untersucht, ob es Ideen zur Abenteuergestaltung enthält. Der Post befindet sich wie so häufig in letzter Zeit bei den Blaupausen.

30.07.18

So flexibel wie bei einer Impro - ohne Impro (Blaupausen-Artikel)

Ich habe einen neuen Artikel für die Blaupausen geschrieben. Es geht, wie häufiger in letzter Zeit, um Abenteuerdesign, wozu ich mir ja im Zuge der drohenden Veröffentlichung des Buchs "Abenteuer gestalten" häufiger Gedanken mache.



Bei Interesse, findet ihr den Artikel hier:

So flexibel wie bei einer Impro - ohne Impro

21.07.18

[Rezension] Degenesis - Black Atlantis


“Black Atlantic” heißt da neueste Buch für “Degenesis Rebirth Edition”. Das elegant-hübsche Cover des kombinierten Quellen- und Abenteuerbandes einschließlich des gerade mal fünf Worte umfassenden Klappentextes macht wie üblich neugierig, ohne wirklich etwas über das Buch auszusagen. Eine schwarze statt roter Flüssigkeit läuft über das Cover. Geht es diesmal weniger um Blut, sondern eher um Öl?

Natürlich geht es auch um Blut. Kein Degenesis-Buch kommt ohne die der Welt innewohnende Gewalt aus. Dennoch geht es auch um Öl. Passend zum Titel ist das Cover des Buchs hauptsächlich schwarz. Eine schwarze ölige Flüssigkeit umspült blasenschlagend ein Symbol, das sich von einer weißen Fläche erhebt. Das Buch ist schwer, das Papier gut und der Einband stabil. Das erste Durchblättern durch den Band ist ein Genuss. “Black Atlantic” ist wie üblich mehr Artbook als gewöhnliches Rollenspielbuch. Heutzutage wird viel Wert auf hübsch bebilderte Vollfarbbücher gelegt. “Degenesis” schlägt sie alle. Viele Bilder wecken den Wunsch, sie in groß an die Wand hängen zu können. Das Spiel mit Licht, Schatten und Farben ist beeindruckend. Perspektiven sind toll gewählt und die Auswahl der Motive gelungen. Jedem wichtigen NSC wurde ein Portrait gewidmet. Die Bilder zeigen im Gegensatz zu vielen ähnlichen Portraits in anderen Produkten wirklich Persönlichkeit. Mein Lieblingsbild ist das von Soufiane auf S. 102. Den Kerl muss man einfach mögen (oder fürchten, bedenkt man, in was für einer Welt man ihm begegnet). Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass auch dieses Buch extrem sein möchte – und vielleicht ein wenig schockieren. Gewalt, Schmerz und Sex sind essentieller Bestandteil von “Degenesis” und seiner Bebilderung. Wer sich daran stört, sollte lieber Abstand halten.

Der Prolog erzählt auf einer Doppelseite die Geschichte, wie Vicarent den Pheromantenkönig Ganaress tötete. Stimmung und wortgewaltig beschriebene Bilder sind den Machern wichtig. Hier auf dieser Doppelseite übertreiben sie es damit. So blumig bleibt es aber nicht. Natürlich bleibt der generelle Stil erhalten und es werden auch weiterhin viele starke Adjektive verwendet, doch später fällt das nicht mehr auf. Der Text wird flüssiger und besser verständlich.

Wie die Bebilderung gehört der Schreibstil zum Spiel dazu. “Degenesis” ist eine Welt voller starker Emotionen. Die Emotionen sind es, die die Geschichten vorantreiben – ja überhaupt erst möglich machen. Und so wird ein Stil gewählt, der diese Emotionen möglichst plastisch darstellt. Das Buch wurde als ein Gesamtkunstwerk konzipiert und das Konzept geht auf. Zwar werden Leser, die kurz gefasste Informationen mögen und möglichst schnell zum Spiel kommen wollen, enttäuscht, wer jedoch ein Buch haben will, wo alles auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet ist – und das ist die möglichst stimmungsvolle Darstellung einer Welt und einer Situation – der bekommt genau, was er sucht. Für den Spielleiter bedeutet das einerseits Arbeit, denn Informationen verbergen sich manchmal unter einem ganzen Berg von Beschreibung, doch es bedeutet auch, dass das Lesen des Buchs Spaß macht. Mir jedenfalls hat es großen Spaß gemacht. Zum Glück haben die Macher viel im Laufe der Jahre gelernt und liefern gut platzierte Überschriften und einen ordentlichen Aufbau, in dem man sich auch zurechtfindet, wenn der Text mal länger wird.

Zentrum des Geschehens ist Briton – ein raues Land, in dem der Kult der Wiedertäufer allgegenwärtig ist. Jedes Jahr gibt es eine große Feier zu Ehren Vicarents, der Ganaress besiegte. Doch wie gelang ihm das? Die Spitaler haben so eine Idee, die ihnen gar nicht gefällt. Und sie sind nicht die einzige Fraktion, die ihre Ziele verfolgt. Das Abenteuer dreht sich um diese Konflikte und wie sie die Welt verändern können.

Die Beschreibung Britons ist aufgebaut, wie man es erwarten würde. Ein kurzer Abriss der Geschichte, gefolgt von Beschreibungen der wichtigsten Gegenden. Die Wortgewalt der Texte funktioniert hier sehr gut. Nüchterne Worte wären vielleicht leichter handzuhaben, die gewählte Darstellung transportiert aber eher, was die Macher wollen. Eine Zeitleiste erhöht die Übersichtlichkeit. Die wichtigsten NSCs herhalten ein eigenes Kapitel. Auf jeweils einer Doppelseite herhält der Spielleiter alles, was er braucht. Das Format ist das gleiche wie in den anderen Kampagnenbüchern – sehr geschickt gewählt, um alles Wichtige übersichtlich unterzubringen und stimmungsvoll zu verpacken.

Das Abenteuer ist erstaunlich nüchtern geschrieben. Der Schnitt fällt richtig auf. Ich persönlich habe das sehr begrüßt, denn die Handlung spricht für sich. Natürlich wird trotzdem nicht auf Mini-Vignetten und wörtliche Rede verzichtet. Der Aufbau ist übersichtlich und gut strukturiert. Das Abenteuer selbst ist sehr gradlinig, was es wieder einmal ungeeignet für Spielleiteranfänger macht. Der Spielleiter muss eine Menge Flexibilität und ggf. Improvisationswillen mitbringen, um die Spieler durch die Geschichte zu führen. Viele kleine Details erleichtern ihm aber die Arbeit. Unterschiedliche Spielerhandlungen werden zumindest innerhalb der Szenen bedacht. Außerdem gibt es einige Szenen, die in beliebiger Reihenfolge gespielt werden können. Obwohl die Spielercharaktere extrem wichtigen Leuten über den Weg laufen und immer wieder mal einen Befehl befolgen müssen, sind sie dennoch Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Mit Tricks wird immer wieder dafür gesorgt, dass es eben die SCs sein müssen, die die Handlung fortführen und nicht irgendein anderer. Marko Djurdjevic, von dem laut Impressum der gesamte Text stammt, hat viel Hirnschmalz in Details fließen lassen.

Mehr lässt sich über das Abenteuer kaum sagen, ohne zu viel zu verraten. Der Metaplot von Degenesis geht jedenfalls weiter. Niemand ist gezwungen, ihm zu folgen, spielt man jedoch die Kampagne der letzten drei Bücher durch, wird die Welt maßgeblich verändert. Hier geht einiges kaputt. Auch thematisch ändert sich einiges bis zum Ende Buchs, was vermutlich zu einem neuen Fokus in „Degenesis“ führen wird. Ich bin gespannt.

Fazit: Die Erwartungen sind hoch und werden erfüllt. Der Stil von „Degenesis“ war schon immer ein ganz eigener, und er wird konsequent und gekonnt weiter fortgeführt. „Black Atlantis“ bietet die Beschreibung von Briton, gepaart mit einem langen Abenteuer, das nicht nur diesen Landstrich verändern wird. Wer den Stil aus Pathos, Mythos, ausufernden Texten und grandiosen Bildern mag, wird nicht enttäuscht werden.

Degenesis: Black Atlantic
Quellenbuch mit Abenteuer
Marko Djurdjevic
Sixmorevodka 2018
ISBN: keine
278 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 45


[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

Abenteuer: Bücher!

Da ich in letzter Zeit ja viel mit dem System Matters Verlag zu tun habe, und die einen interessanten Blog aufgezogen haben, poste ich dort ab und zu - jedenfalls Dinge, die irgendwie mit System Matters in Zusammenhang stehen.

Da mein Buch "Abenteuer gestalten" hoffentlich dieses Jahr noch fertig wird, mache ich mich langsam daran, begleitende Texte zu posten - also Texte, die weitestgehend mit dem Gestalten von Abenteuern zu tun haben. Eine Reihe nenne ich "Abenteuer: Bücher!". Ich lese Romane mit Hinblick auf das Rollenspiel, bespreche sie, sage ein wenig über den Autoren und verrate, was man aus ihnen für seine Spielrunde ziehen könnte. Das macht großen Spaß und bringt hoffentlich ein paar schöne Ideen hervor.

Zwei Artikel sind bereits veröffentlicht:

1. Roger Zelaznys "Die neun Prinzen von Amber"
2. Haruki Murakamis "Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt"

17.06.18

One Page Dungeon Conest 2018 - 161 Abenteuer für umsonst!

Ich habe gerade entdeckt, dass der diesjährige OPDC fertig ausgewertet wurde. Aus den 161 Einsendungen wurden die Gewinner festgelegt. Die Abenteuer sind immer einen Blick wert!


26.04.18

[Rezension] Stätten der Verdammnis (Malmsturm)


[Anmerkung: Ich setze diese Rezi unter das Label "Abenteuer gestalten", weil die Abenteuer perfekte Beispiele für gut in die Praxis umgesetzte Designtheorie sind. Alle drei Stile werden ausführlich im kommenden Buch besprochen.]

„Stätten der Verdammnis“ ist der erste Abenteuerband für die aktuelle Ausgabe von „Malmsturm“. Fertige Abenteuer für Fate-basierte Rollenspiele sind ja so eine Sache. Wie kann man für ein System, in dem die Spieler so viel kreativen Input geben, vorgefertigte Abenteuer kreieren? Diese Frage wird in dem Band beantwortet.

Drei Abenteuer liefert das 188 Seiten starke Hardcoverbuch. Ein Kapitel mit neuen Monstern, ein paar praktische Listen und eine kurze Einleitung runden das Bild ab. Im Gegensatz zum Grundregelwerk „Die Fundamente“ ist das Buch schwarzweiß. Die goldenen und roten Akzente haben die Fundamente optisch zwar aufgewertet, doch kann man die weiße Schrift in den häufig anzutreffenden schwarzen Textkästen einfach besser lesen. Das Layout hat sich ansonsten kaum geändert, abgesehen davon dass dieses Mal ausschließlich doppelseitige Bilder verarbeitet wurden. Manche Bilder haben den ungewöhnlichen Effekt, dass ich als Betrachter den Eindruck bekomme, zu nah an einer Szene dran zu sein. Als würde ich mir eine Skizze zu nah vor die Augen halten. Björn Lensigs Zeichenkunst wird dadurch nicht geschmälert, ich brauchte nur teilweise ein paar Sekunden Gewöhnung. Der Text wird durch die vielen Randanmerkungen und schwarzen Textkästen aufgelockert. Bleiwüsten muss niemand befürchten.

Doch kommen wir zu den Abenteuern selbst. Der Leser bekommt drei Stile präsentiert, je einen pro Teilbereich der Malmsturm-Welt. Im Norden spielt eine klassische Sandbox mit dem Titel „Das scharlachrote Hexagon“. In den nördlichen Meeren liegt die seltsam gleichmäßig wie ein Sechseck geformte Nadelberginsel, auf der Piraten hausen. Als die Liga der Handelsprinzen einen Krieg mit den Piraten beginnt und die Charaktere in die Schlacht geraten, erhebt sich plötzlich ein Malmsturm und zerreißt die bekannte Realität. Verschiedene Realitäten schieben sich übereinander und nebeneinander und die Charaktere sind mittendrin. Woher der Malmsturm kam, was die Realitäten enthalten und wie man mit ihnen umgeht, das sind die Fragen, die die Helden auf ihrer Reise über die Insel beantworten müssen. Handlung im eigentlichen Sinn gibt es nicht, dafür Beschreibungen der verschiedenen Realitäten und Zufallstabellen, was man dort antrifft. Die Charaktere erforschen die Insel und enträtseln (vielleicht) ihre Geheimnisse. Was sie dann damit tun, ist ihre Sache. Das Abenteuer ist genau so konzipiert, wie es eine Sandbox sein soll. Viele tolle Ideen, Agenden von verschiedenen Fraktionen und nette Zufallstabellen. Einzig ein paar mehr lebende Wesen in den Tabellen hätte ich mir gewünscht.

Das zweite Abenteuer spielt in der Waismark und trägt den Titel “Tentakelfinger”. Der titelgebende Unhold ist ein fieser Mörder, der einmal jährlich sieben Frauen in den Gassen der Stadt Phanagor ermordet. Die Charaktere sind vorgefertigt und durch ihre Persönlichkeit und Hintergründe tief in die Umstände der langjährigen Mordserie verstrickt. Ein ganzes Netzwerk an Personen treibt die Handlung der Detektivgeschichte voran. Auf diese Weise kann sich eine freie Handlung voller Dramatik entfalten. Fragt sich jemand, wie man mit Fate Detektivabenteuer - denn darum handelt es sich hier zweifellos - spielen soll, der bekommt die Antwort in einem Textkasten. Nicht die Frage, wer der Mörder ist, spielt die zentrale Rolle, sondern wie man ihn bezwingen soll. Das Abenteuer beschreibt ausführlich die ganzen Figuren des Dramas und hält für den Spielleiter auch einen groben Handlungsablauf parat - der natürlich nur dann wie beschrieben stattfindet, wenn die Charakterer nicht eingreifen. Ich persönlich denke, der Handlungsablauf könnte ein paar zusätzliche Einträge vertraten. Ich vermisse ein paar “Handlungsstarter”, Szenen, die die Charaktere direkt und unausweichlich ins Geschehen verwickeln und so dem Spielleiter etwas in die Hand geben, wenn er mal während des Improvisierens stockt. Andere Spielleiter würden sie vielleicht als Platzverschwendung ansehen. Ich will also nicht meckern. Vermutlich verlangt dieses Szenario dem Spielleiter von allen im Buch am meisten ab, aber der Aufwand dürfte sich lohnen.

Das dritte Abenteuer gefällt mir am besten. Es kommt meinem eigenen Leitstil am meisten entgegen. Außerdem hat es die größte Dichte an coolen Ideen. Es spielt - das wird keinen Malmsturmkenner überraschen - im Imperium und heißt “Der kosmische Krater”. Auch hier gibt es ein Netzwerk an Figuren und Fraktionen. Ein uralter Magier kam von seiner 500 Jahre andauernden Reise ins Weltall zurück und erschuf bei seiner Landung einen Krater, auf dessen Grund der Sand zu blauem Glas schmolz. Die angrenzend lebenden Bauern und ihr Gott Harbon-Buul mussten erleben, wir ihr Dorf zur Hälfte im Krater verschwand. Dementsprechend sind sie nicht gut auf den Magier zu sprechen, um den sich sofort ein Kult bildete, der immer mehr an Macht zunimmt. Als dritte Fraktion überfallen Banditen auf Sandgleitern die Menschen. Das blaue Glas fungiert als McGuffin und zieht seinerseits Leute an. Und die Charaktere sind mittendrin. Das Abenteuer kommt mit der Beschreibung der Fraktionen und wichtigsten NSCs aus. Die Charaktere sind halb fertig. Das sehr gelungene Grundgerüst aus Hintergrund und Persönlichkeit steht. Es müssen nur die Werte noch ein wenig angepasst werden. Jeder der Charaktere hat einen Grund, warum er (oder sie) in der Nähe des Kraters und ohne Geld gestrandet ist. Das Abenteuer sollte leicht zu leiten sein und strotzt nur so vor großartigen großen und kleinen Ideen.

Der Band liest sich wie ein Praxistest von Rollenspieltheorie. Wir bekommen drei Geschichten: einen Hexcrawl (im wahrsten Sinn des Wortes); ein Personennetzwerk von Leuten, die durch ihre Ziele und Persönlichkeiten die Handlung vorantreiben und verkomplizieren; und eine spannungsgeladenen Situation, in der drei Fraktionen und ihre Anhänger aufeinanderprallen. Wir haben hier den Beweis vorliegen, dass nicht alle Rollenspieltheorie verkopfter Blödsinn sein muss. Jeder Spielleiter wird ein Abenteuer finden, das er sich nicht vorstellen kann zu leiten, und Arbeit muss in alle drei gesteckt werden, um sie an den eigenen Stil und die eigene Gruppe anzupassen, doch das ist für mich Zeichen von Qualität und keine Schwäche.

Fazit: Wie schreibt man Abenteuer für Fate/Malmstum? Der vorliegende Band zeigt es. Man erschafft Situationen, die von sich aus abenteuerlich sind. Situationen, in denen verschiedene Mächte aufeinanderprallen. Und die Charaktere sind mittendrin. Wie so etwas aussehen kann und wie man möglichst viele Ideen auf wenige Seiten bekommt, das zeigt „Stätten der Verdammnis“. Ein toller Band.

Stätten der Verdammnis
Abenteuer
Bjorn Beckert, Werner H. Hartmann
Uhrwerk Verlag 2018
ISBN: 978-3-95867-120-1
188 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

12.04.18

Bald gibt es Dread auf deutsch

Die meisten haben sicher schon mitbekommen, dass zurzeit die Vorbestellaktion (die sympathische Form des Kickstarters) für die deutsche Version von "Dread" läuft. Die benötigte Summer ist fast beisammen, einem Druck steht wohl nichts mehr im Weg. Wenn noch ein wenig mehr Vorbestellungen zusammenkommen, gibt es neue Abenteuer! Ich habe immer bedauert, dass es nur so wenige Abenteuer für "Dread" gibt, deshalb freut mich das besonders. Eines davon werde vermutlich ich beisteuern. Abgesehen davon gibt es bereits ein neues deutsches Abenteuer im Buch. "Dread" wird quadratisch, Hardcover und auf tollem Papier gedruckt. Für Leute, die drauf stehen, gibt es sogar ein Lesebändchen.

Wie das Cover schon andeutet, wird "Dread" nicht mit Würfeln sondern mit einem Jenga-Turm (oder einem ähnlichen Spiel mit wackeligen Hölzern, die es zu stapeln gilt) gespielt. Die Kurzfassung der Regeln lautet:

Wenn ihr in einem anderen Rollenspiel würfeln würdet, zieht ihr hier einen Stein ganz normal nach Jenga-Regeln. Wer den Turm umwirft, ist tot (oder zumindest aus dem Spiel). Keine Ausnahmen. Wenn einer auf die Toilette geht, dabei an den Tisch stößt und der Turm fällt, dann ist er tot. Also seht euch vor!

Das genügt normalerweise als Einleitung, um die Spieler richtig nervös zu machen. Die zweite Innovation, die das Spiel so toll macht, ist die Charaktererschaffung. Jeder Spieler bekommt einen individuellen Fragenkatalog aus 13 Fragen. Es sind teilweise suggestive Fragen wie: "Warum hast du eine Waffe mit in den Wald genommen?" Zahlen braucht man nicht. Der Fragenkatalog ist eine großartige Idee, die jedesmal funktioniert. Die Spieler beschäftigen sich vor dem Spiel auf einfache Weise mit der Figur. Sie bekommen ein paar Vorgaben, können aber auch selbst Dinge entscheiden.

Als ich mir damals die englische Version anschaffte, habe ich das Spiel diverse Male auf Cons geleitet. Insgesamt habe ich fünf verschiedene Abenteuer zusammen sieben Mal angeboten. Die drei im Buch waren die besten. Zwei davon habe ich doppel geleitet. Ich spreche mit Daniel in der passenden Podcast-Reihe über die einzelnen Szenarien. Mit dem Slasher-Abenteuer "Unter der Maske" hatte ich einen der besten Spielabende meines Lebens. Außerdem hatte ich damals ein kostenloses Abenteuer mit dem Titel "13" gefunden. Es ist ein Abenteuer, das vom Verlag für Halloween geschrieben worden war. Die Figuren sind Kinder, die sich plötzlich in einem gruseligen Haus wiederfinden und daraus entkommen müssen. Das Abenteuer hat auch Spaß gemacht, auch wenn es ein Nadelöhr hat, das uns kleine Probleme bereitete. Als letztes leitete ich "Coffee Break of the Living Dead" das Abenteuer aus dem All-Flesh-Must-Be-Eaten-Sichtschirm. Das ist eigentlich ein ganz klassisches Ding. Die Charaktere stecken im Fahrstuhl eines Bürohochhauses fest und als sie wieder frei kommen ist alles voll Zombies. Auch das hat erstaunlich gut mit dem Turm funktioniert.

Der Turm ist toll. Ich habe hartgesottene Rollenspieler gesehen, die schweißnasse Hände bekamen, weil sie einen Stein ziehen mussten. Das macht es leicht, Spannung aufzubauen. Leute, die "Dread" nie gespielt haben, kritisieren manchmal, dass sie glauben, durch die Mechanik aus der Stimmung gerissen zu werden. Vielleicht stimmt das für manche Gruppen. Ich habe es anders erlebt. Der Turm bringt auf einer neuen Ebene Spannung ins Spiel. "Würfele mal auf Ausweichen", das Heraussuchen des Wertes, würfeln und Ergebnis mitteilen, bringt mich nicht weniger aus der "Immersion" als der Turm. Es ist nur nicht so spannend.

Ich hätte nur einen wichtigen Tipp: Versucht keine Kampagnen damit zu spielen. Ich hörte von einer Gruppe, die eine Kult-Kampagne damit spielen wollte. Danach hassten alle Spieler "Dread". Das funktioniert einfach nicht. Aber als Halloween-One-Shot, auf Cons oder als Abwechslung zur aktuellen Cthulhu-Kampagne funktioniert das Spiel hervorragend.

Vorbestellung hier.

24.03.18

Erdenstern live?

Ich habe vor kurzem die Nachricht erhalten, dass der lange geplante Kickstarter von Erdenstern online gegangen ist, der ein Live-Konzert finanzieren soll. Wer also schon immer mal Erdenstern live sehen wollte, hat nun die Möglichkeit dies zu unterstützen. Ich drück der Truppe die Daumen. Nicht nur sind sie alle sehr sympathisch, auch die Musik ist gut :-)

Kickstarter
Webseite von Erdenstern

25.01.18

[Rezension] The Coldest City


Cross Cult beweist mal wieder ein gutes Händchen. Der sympathische Verlag veröffentlichte pünktlich zum Kinostart des Films „Atomic Blonde“ mit Charlize Theron die Comicvorlage „The Coldest City“ von Antony Johnston. Am Ende des Kalten Krieges wird in Berlin ein MI6-Agent ermordet. Die Agentin Lorraine Broughton gerät durch den Auftrag zu klären, was geschehen ist, in ein unübersichtliches Spiel aus Verrat und Eigennutz.

Die Geschichte ist eine klassische Noir-Agenten-Story mit allem, was man erwartet. Agentin Broughton ist nach ihrem Berlin-Einsatz wieder in England und berichtet, was bei ihrer Mission schiefgegangen ist. Sie ist im Zwang sich zu rechtfertigen, weil ein weiterer Agent seinen Tod fand. Die eigentliche Geschichte dreht sich um ihren Aufenthalt in Berlin und wird in Rückblicken erzählt.

Das Berlin kurz vor der Maueröffnung ist chaotisch und gefährlich - besonders natürlich für die Agenten verschiedener Nationen, die sich darin aufhalten und von den politischen Umwälzungen mindestens genauso betroffen sind wie die anderen Bewohner der Stadt. Der Tote hatte angeblich Zugang zu einer Liste mit den Namen aller in Berlin lebenden Agenten aller Nationen. Wie man sich denken kann ist so eine Liste der perfekte McGuffin für eine Geschichte. Da sich die Liste nicht bei der Leiche befand ist nun die gesamte Agenten-Szene Berlins hinter ihre her.

Der ortsansässige MI6-Agent ist erwartungsgemäß nicht begeistert, dass ihm ein Neuling in die Nachforschungen reinreden will. Für Broughton stellt sich zusätzlich die Frage, ob er ein eigenes Spiel spielt. Und was ist mit dem französischen Agenten, der sich ebenfalls einschaltet? Auf ihrer Suche nach der Liste verschlägt es Broughton auch nach Ost-Berlin - ein Aussflug, der ihr den Kopf kosten könnte.

Die vielen verschiedenen Ebenen aus Verrat und Lüge sind typisch für gute Agentenliteratur. Wenn sich im Laufe der Zeit eine Ebene nach der anderen auftut, ist das für den Leser zwar prinzipiell keine Überraschung, aber wegen solcher Wendungen liest er das Buch ja auch. Die Charakterisierungen der verschiedenen Figuren ist hervorragend gelungen. Und auch wenn man sich ziemlich konzentrieren muss, um bei all den Namen und Gesichtern nicht den Überblick zu verlieren, zieht es einen richtiggehend durch das Buch. Welches eigentliche Ziel verfolgt der alteingesessene MI6-Agent und was weiß der Franzose genau? Und was genau führte denn dazu, dass sich Broughton bei ihrer Rückkehr rechtfertigen muss? Und wer ist die geheimnisvolle Figur im Hintergrund, die viele Fäden in der Hand zu halten scheint (und die es in eines solchen Geschichte natürlich geben muss)?

Ich habe ein wenig gebraucht, um mich an die nüchternen Zeichnungen von Sam Hart zu gewöhnen, weiß sie schließlich aber um so mehr zu schätzen. Er taucht Berlin in harte Schatten. Mit wenigen dünnen Linien zeichnet er ein zerbrechliches Bild der Figuren und der Stadt, nur ab und zu unterbrochen von schwarzen Flächen - schwarze Schatten, in denen sich alles Mögliche verbergen könnte. Der Stil macht es nicht leicht die Figuren zu unterschieden. Für mich war das die eigentliche Hürde, die Zusammenhänge alle im Auge behalten zu können. Doch die Mühe lohnt sich. Der Stil unterstreicht das Noir-Feeling und trägt maßgeblich zum Gelingen der Geschichte bei. Er erzeugt eine besondere Stimmung, die zu der insgesamt recht ruhigen Handlung gut passt. Das den Figuren aufgrund des Stils zeichnerisch an Tiefe und Dreidimensionalität fehlt, wird durch die Geschichte wettgemacht, die die verschiedenen Charaktere hervorragend darstellt.

Den Film habe ich nicht gesehen, mir wurde aber berichtet, dass er nur wenig mit dem Comic zu tun hat. Das macht aber nichts. Der Comic funktioniert und so kann man vielleicht beides genießen, ohne alle Pointen bereits zu kennen.

Fazit: “The Coldest City” erzählt eine klassische Agentengeschichte, die alles hat, was man erwartet und dies hervorragend umsetzt. Die Zeichnungen sind schlicht und unterstützen den Noir-Stil. Die verschiedenen Ebenen unterschiedlicher Geheimnisse, die nach und nach aufgedeckt werden, machen die Geschichte interessant und die Charakterisierung der Figuren erweckt das Agentenleben im Berlin zum Ende des Kalten Krieges für den Leser zum Leben. Man sollte Agenten-Geschichten mögen, wenn man das aber tut, hat man viel Spaß mit dem wie immer gut produzierten Buch.

The Coldest City
Comic
Antony Johnston, Sam Hart
Cross Cult 2017
ISBN: 978-3-95981-433-1
192S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

11.01.18

Richtig gutes Abenteuer - kostenlos

Ich fahre seit einiger Zeit ziemlich auf die OSR und allem, was dazugehört, ab - nicht zuletzt weil ich mit System Matters einen OSR-Podcast mache. Man lernt bei solchen Gesprächen viel über sich und die Spielart, die man bespricht.

Daniel war so nett, mich auf ein richtig gutes Abenteuer aufmerksam zu machen. Ich googelte also, wo ich es kaufen kann und musste zu meiner Überraschung feststellen, dass es kostenlos ist. Es soll sogar demnächst eine gedruckte Version über Lulu geben - zum Selbstkostenpreis.

Das Abenteuer ist ein klassischer Dungeon. Aber ein guter! Er zeigt, wie ein guter Dungeon aussehen kann. Ein richtig tolles Ding. Auf nur 16 Seiten wird hier ein Abenteuer von ansehnlicher Länge präsentiert. Ich würde vermuten, dass es an einem Spielabend nicht zu schaffen ist.

Großes Kompliment an die Macher.

Hier ist der Link zum Download für The Hyqueous Vaults.

Falls sich jemand wundert, was das heißen soll, meinen kurzen Nachforschungen zufolge gibt es das Wort Hyqueous nicht. Es sollte es aber geben.